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RAin Nada Nasser und RA Marco Kuhlmann im Porträt im INDat Report 03_2023

26. April 2023

Düsseldorf. Seit rd. 20 Jahren sind RAin Nada Nasser und RA Marco Kuhlmann in NRW und Rheinland-Pfalz als Insolvenzverwalter und Sachwalter unterwegs. Mit nur drei Insolvenzverwaltern ist die Kanzlei unter den Top 30 platziert. Als Gründungspartner von KKN Kreplin Kuhlmann Nasser fokussieren sie sich auf die vom Insolvenzgericht vergebenen Ämter und schätzen die kurzen Entscheidungswege unter den drei Partnern sowie die regionale Verhaftung. Von ihren erfolgreichen Sanierungen mit einem Faible für den Insolvenzplan berichten sie gerne, betonen aber, dass auch nicht sanierungsfähige Unternehmen zur Lebenswirklichkeit gehören und die Ordnungsfunktion des Insolvenzverfahrens ihre Berechtigung hat, die sie über den Einzelfall hinaus als bedeutsam für den Wirtschaftskreislauf betrachten.


Text: Peter Reuter


Personal abzubauen und Mitarbeiter zu entlassen, gehört auch zum Job des Insolvenzverwalters. Erleichtert sind RAin Nada Nasser und RA Marco Kuhlmann, dass sie in der Pandemiephase mit der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und der faktischen Insolvenzvermeidungspolitik, was zu einem deutlichen Rückgang der Insolvenzanträge geführt hat, in eigener Sache kein Personal hätten entlassen müssen. Das rd. 45köpfige Team der Kanzlei mit Hauptsitz in Düsseldorf und weiteren zwölf Standorten in  NordrheinWestfalen und RheinlandPfalz sei von den 23 sie beide und RA Georg F. Kreplin bestellenden Insolvenzgerichten trotz eines leichten Rückgangs recht gut mit Insolvenzverwaltungen und Sachwaltungen betraut worden, sodass kein Grund für einen Personalabbau wie bei anderen Insolvenzkanzleien bestanden habe. Gleichzeitig habe man sich im Geschäftsmodell bestärkt gefühlt, sich nahezu nur auf die Insolvenzverwaltung und Sachwaltung, also auf vom Insolvenzgericht übertragene Ämter, zu fokussieren. Die krisennahe Beratung »mit einer Handvoll Mandanten« spiele für die Kanzlei eine untergeordnete Rolle, es seien z. B. Dauermandate bei größeren Unternehmen, die in ihrem Portfolio mit Restrukturierungs-

fällen in Berührung kommen und als Gläubiger insolvenzrechtlichen Rat benötigen. 

Die Pandemiephase, die das Tagesgeschäft hat etwas ruhiger werden lassen, hat der Kanzlei Freiraum verschafft, sich intensiver mit sich selbst und dem Außenauftritt zu beschäftigen. Im April 2022 verkündeten sie daher, sich von Kreplin & Partner in KKN Kreplin Kuhlmann Nasser umzubenennen, was aber im Binnenverhältnis der drei Partner nichts verändert habe. Man habe die im Jahr 2003 gegründete Kanzlei zusammen aufgebaut und geprägt, diesen Umstand nun »etwas verspätet« mit dem neuen Namen auch nach außen getragen. Georg F. Kreplin, Jahrgang 1967, hat sich im Juli 2003, nachdem sich der Zusammenschluss Dr. Nerlich Kreplin nach drei Jahren wieder aufgelöst hatte, in Düsseldorf selbstständig gemacht und den Namen Kreplin & Partner eingeführt. Im selben Jahr suchte Marco Kuhlmann, der bereits mit dem Ende des Referendariats die theoretischen Kenntnisse für den FA für InsR nachgewiesen hatte, die entsprechende Praxis und erinnert sich an das lockere Vorstellungsgespräch bei Kreplin, in dem man sich »auf Anhieb bestens verstanden « habe, sodass er am nächsten Tag seine Tätigkeit begonnen hat. Nach elf Monaten als sog. Schattenverwalter hat er sein erstes Insolvenzverfahren vom AG Wuppertal erhalten. 

Im Jahr 2004 stieß Nada Nasser dazu, die wiederum Kuhlmann aus dem Referendariat im OLG-Bezirk Düsseldorf kannte. Auch Nasser berichtet, dass zwischen ihnen von Anbeginn »die Chemie passte« und man ein partnerschaftliches Verhältnis und eine Freundschaft entwickelt habe, die von Vertrauen und Verlässlichkeit geprägt seien. Ihr erstes eigenes Verfahren erhielt Nasser im selben Jahr vom AG Mönchengladbach. Rückblickend sei sie sehr dankbar, dass sie recht schnell Fälle jenseits der Klischees von Modeboutique und Schuhgeschäft erhalten habe – sie ist z. B. häufig mit insolventen Bauunternehmen und sonstigen produzierenden Unternehmen befasst. 

Während Nasser vor allem auf die Strukturen, Prozesse und Abläufe in der Kanzlei fokussiert sei, sagt Kuhlmann, die sie ständig »akribisch« hinterfrage und optimiere, sei dieser wiederum für das vorausschauende Zusammenhalten des »großen Ganzen« und die Kanzleikommunikation zuständig, berichtet Nasser über die Aufgabenteilung. Beide schätzen die kurzen Entscheidungswege zwischen den drei Partnern sowie damit verbunden die Freiheiten und die Flexibilität, die in großen Partnerrunden wohl alleine schon zeitlich anders aussehen würden. Für eine Fusion mit einer anderen Verwalterkanzlei, für die es im Laufe der Zeit immer Anfragen gegeben hat, habe man nie »vertiefte« Gespräche geführt. Auch sei man sich im Trio einig, dass man nicht deutschlandweit expandieren wollte, von NRW und Rheinland-Pfalz könnten sie glaubhaft behaupten, diese Regionen bestens zu kennen und in ihnen vernetzt zu sein. Auch wenn es wie eine Floskel klingen mag, wollen sie betonen, dass sie auf ein Team bauen können, in dessen Kernbereich der 14 Anwälte und Wirtschaftsjuristen es kaum Fluktuation gebe; die Optionen zu Homeoffice und Teilzeit seien selbstverständlich.

Neues Personal bei den Sachbearbeitern zu finden, sei wie in allen Branchen mit Fachkräftemangel schwierig. Habe es vor zehn Jahren noch einen »Berg von Bewerbungen« gegeben, könne man heute froh darüber sein, wenn es überhaupt Resonanz auf eine Stellenausschreibung gibt.



Erste Großverfahren mit nachweislich nachhaltiger Sanierung


Nachdem sie seit 2003/2004 einige Jahre im sog. Brot-und- Butter-Geschäft quer durch die Branchen der Region als Verwalter tätig waren, kam für sie beide zeitgleich eine »Bewährungsprobe «, denn sie erhielten nahezu parallel im Jahr 2009 ihr erstes Großverfahren, das sie jeweils erfolgreich beenden konnten. »Erfolgreich« und nachhaltige Sanierung sind zwar relative Begriffe, doch sie erscheinen in diesen Fällen sicherlich zutreffend, denn beide Unternehmen sind heute gut 14 Jahre später immer noch auf dem Markt. Aber der Reihe nach.

An die ersten Worte bzw. drei bzw. vier kurzen Fragen des Richters des AG Montabaur am Telefon erinnert sich Nada Nasser noch genau. Können Sie Keramik? Können Sie Chemie? Können Sie 850 Mitarbeiter und internationale Strukturen? Auf diese Fragen habe sie sofort mit »na klar« reagiert, wobei sie schon gewusst habe, dass sich dieser Fall als große Herausforderung herausstellt, der ihr und ihrem Team viel abverlangt. Am 07.10.2009 hatte das AG Montabaur das Insolvenzeröffnungsverfahren über das Vermögen der weltweit operierenden KCH-Unternehmensgruppe eingeleitet, einem der führenden Anbieter von Produkten und Dienstleistungen im schweren Korrosionsschutz, der im Geschäftsjahr 2008 einen konsolidierten Umsatz von mehr als 88 Mio. Euro verzeichnete. Von der Insolvenz betroffen waren acht deutsche Gesellschaften mit etwa 240 Beschäftigten, für neun ausländische Gesellschaften mit rd. 550 Mitarbeitern wurde kein Insolvenzantrag gestellt. Dem Unternehmen fehlten liquide Mittel für die Rohstoffbeschaffung, der KCH-Gruppe gelang es in der Finanzkrise nicht, eine neue finanzierende Bank zu finden. Als vorläufige Insolvenzverwalterin habe sie ein zwei Monate zuvor ausgewechseltes Managementteam, einen schwer greifbaren Geschäftsführer und eine sehr fragmentarische Datenlage vorgefunden. Die vorläufige Verwalterin hat schließlich den faktisch eingestellten Geschäftsbetrieb wieder in Gang gebracht und eine neue Struktur für eine geplante übertragende Sanierung geschaffen. In einem Bieterverfahren hat die mittelständische Unternehmensgruppe Steuler das Deutschlandgeschäft der KCH-Gruppe und rd. 200 der 240 Mitarbeiter übernommen mit der Option, auch die ausländischen Gesellschaften zu erwerben. Die ausländischen Gesellschaften in Polen, Frankreich, Italien und Marokko sind dann nach der Installierung von Interim Managern schrittweise massemehrend veräußert worden, die Gesellschaften in Spanien und Mexiko wurden liquidiert. Eine »steile Lernkurve« unter großem Zeitdruck, resümiert Nasser. KCH ist bis heute Teil der Steuler-Gruppe.

Zwei Wochen nach dem Insolvenzantrag der KCH-Gruppe erfolgte

am 22.10.2009 der Insolvenzantrag des Automobilzulieferers  Parat Schönenbach GmbH & Co. KG beim AG Wuppertal. Anfangs habe es bei »dünner Akte« geheißen, erinnert sich Marco Kuhlmann, es handle sich um einen Mischkonzern, der Werkzeugkoffer und -taschen herstellt, was den zweiten Geschäftsbereich ausmachte. Der erste Geschäftsbereich umfasste die Entwicklung und Lieferung von Cabrio-Dachsystemen, von Kunststoffinnen- sowie -außenteilen für die Automobil-, Nutzfahrzeug- und Caravanindustrie mit Geschäftssitz in Remscheid und dem größeren Produktionsstandort im bayerischen Neureichenau mit etwa 800 Beschäftigten in der Gruppe weltweit, davon rd. 400 in Deutschland. Bedingt durch die Wirtschaftskrise und die Insolvenz wichtiger Kunden waren die Umsätze massiv eingebrochen. Kuhlmann fand bereits als vorläufiger Verwalter einen in Grundzügen entwickelten Insolvenzplan vor, den er dann in mit dem vorläufigen Gläubigerausschuss abgestimmten Gesprächen mit Banken, Kunden und Lieferanten finalisiert hat. In diesem Pre-pack-Plan und einem straff organisierten und umgesetzten Zeitplan, denn zwischen Insolvenzantrag und Planabstimmung »mit überwältigender Mehrheit« am 17.03.2010 bei Quoten von 20 bis 70 % lagen rd. zehn Wochen, sieht er einen der wesentlichen Erfolgsfaktoren dieses Falls in einer Zeit, in der viele Automobilzulieferer mit der Insolvenz zu kämpfen hatten. Oberste Prämisse der OEMs war, die Bänder dürfen nicht stillstehen, zudem galt gem. deren Risk Management: keine weitere Beauftragung an insolvente Unternehmen. Dem Fall kam auch das wichtige Signal zugute, dass das bayerische Wirtschaftsministerium eine Unterstützung zusagte, zumal die Region um Passau als wichtiger Standort der Zuliefererindustrie bestehen bleiben sollte. Über 300 Arbeitsplätze in Remscheid und Neureichenau und 400 Arbeitsplätze bei den ausländischen Tochtergesellschaften konnten gesichert werden. Parat besteht heute weiter auf dem Zulieferermarkt und hat sein Geschäftsfeld auf Landmaschinen- und Traktorenhauben erweitert. 

Seit diesem Fall habe der Insolvenzplan als Sanierungslösung nicht nur für ihn, sondern auch für die Kanzlei an Bedeutung gewonnen, berichtet Kuhlmann, dies gekoppelt mit einem funktionierenden, engmaschigen Verfahrensplan und einem straffen  Sanierungsprozess, wobei es gelte, das Insolvenzgericht frühzeitig einzubinden und den Planerstellungsverlauf zu kommunizieren. Der Plan dürfe nicht »im stillen Kämmerlein« vorbereitet und dem Gericht erst drei Tage vor Verfahrenseröffnung präsentiert werden, denn die komplexe Prüfung verlange zumindest einen informativen Vorlauf.


Als zweifache Mutter befürchtet, weniger bestellt zu werden

 

Mit den beiden großen Fällen und denen ihres Partners Georg F. Kreplin als Schub, der übrigens derzeit  Restrukturierungsbeauftragter einer am AG Düsseldorf anhängigen StaRUG-Sache ist, ist die Kanzlei in NRW und Rheinland-Pfalz gewachsen. Über ihre großen und eine Vielzahl weiterer, erfolgreicher Sanierungsfälle berichteten sie gerne, betonen die beiden Verwalter, doch ein anderer Teil des Tagesgeschäfts und die Lebenswirklichkeit seien auch davon geprägt, bei Perspektivlosigkeit abzuwickeln und die Ordnungsfunktion des Insolvenzverfahrens auszuüben. Wie die Statistiken zeigen, gehört Nasser zu den meistbestellten Verwalterinnen Deutschlands, doch während ihrer zwei Schwangerschaften, sie wurde 2015 und 2016 Mutter, habe sie schon die Befürchtung gehabt, sagt sie, dass sie die Gerichte nicht mehr so häufig mit Fällen betrauen würden. Über die sehr positiven Signale der Gerichte und dass es nur einen »kurzen Bestellknick« gegeben hat, habe sie sich sehr gefreut, aber sich als zweifache Mutter auch keine Pause gegönnt, da die Tätigkeit des Insolvenzverwalters dies über einen längeren Zeitraum wohl nicht zulasse. Damit mehr Frauen in den Beruf des Insolvenzverwalters Zutrauen gewinnen, findet sie den Zusammenschluss der Distressed Ladies, dem sie angehört, sehr wichtig, um die Frau als Insolvenzverwalterin und Restrukturierungsberaterin in einem männerdominierten Umfeld visibler zu machen, sich auch in diesem Netzwerk (fachlich) auszutauschen und wechselseitig »die Geschäftsentwicklung zu optimieren«. Beide Verwalter sind zudem VID-Mitglied, Kuhlmann auch Mitglied bei TMA Deutschland. Die Vernetzung mit Beratern für die Bestellvorschläge sei heute unerlässlich. 

Auch die Bestellung als Sachwalter geht häufig auf gläubiger- bzw. 

beraterseitige Vorschläge beim Gericht zurück. Insgesamt habe man mit der Sachwaltung und der Eigenverwaltung gute Erfahrungen gemacht, berichtet Nasser, vieles hänge vom Professionalisierungsgrad der Geschäftsleitung bzw. deren Berater

ab – und von den Umständen. Der Fall der H. & J. Jessen Baugesellschaft mbH & Co. KG in Mönchengladbach ist einer der Fälle, in denen die Pläne der Eigenverwaltung missglückt waren und

die Insolvenzverwalterin eine Nachteilsanzeige erklären musste. Beim Projektentwicklungs- und Bauunternehmen haben neun Gesellschaften Insolvenz beantragt, für fünf fungierte Nasser als (vorläufige) Sachwalterin, für vier als (vorläufige) Verwalterin. Ein angekündigter Insolvenzplan sei in der Eigenverwaltung nicht vorgelegt worden, nicht einmal ein schlüssiges Sanierungskonzept, die Liquiditätslage habe sich zusehends verschlechtert und wurde defizitär, sodass Nasser im eröffneten Verfahren die Kassenführung an sich gezogen und schließlich im Januar 2019 gezwungenermaßen Masseunzulänglichkeit angezeigt hat. Noch in der Gläubigerversammlung im Dezember 2018 votierte die Gläubigermehrheit für die Fortsetzung der Eigenverwaltung. Die Insolvenzverwalterin sorgte dann mit dem erfolgreichen Verkauf vieler Immobilien weit oberhalb der Valuten für eine »ordentliche Massemehrung«, sodass es zu einer Vorabausschüttung einer Quote i. H. v. 50 % kommen und man schließlich mit einer sehr hohen zweistelligen Quote abschließen werde.  

Als Sachwalter verstehen sie sich als »Beifahrer«, der unterstützt, Hilfestellungen leistet und kontrolliert. In der Regel ziehe man die Kassenführung nicht an sich im Vertrauen, dass Schuldner und Berater ordnungsgemäß handeln, dennoch werde vereinbart, dass die Sachwaltung jede Zahlung vorher freigibt, was sie als »Kassenführungsbefugnis light« bezeichnen. Treten Umstände ein, dass der Sachwalter die Kassenführungsbefugnis an sich ziehen muss, dann sei häufig das Sanierungsvorhaben in Eigenverwaltung an sich gescheitert wie im Fall der H. & J. Jessen Baugesellschaft mbH & Co. KG.

Vor dem Hintergrund der von ihnen als Sachwalter begleiteten Eigenverwaltungen, das waren jüngst z. B. der Stahlbaulogistiker TLW Transport-Logistik Wichmann GmbH & Co., der Messstellenbetreiber Discovergy GmbH, der Hersteller von explosionsgeschützten Elektronikanwendungen, die Exprotec GmbH, und der Schaltsystemhersteller für Kraftwerksanlagen, die Mauell GmbH, bei der im kooperativen Einvernehmen mit dem PSVaG Pensionsverpflichtungen im Insolvenzplan geregelt wurden, wollen beide nicht ausschließen, auch die Rolle als Sanierungsgeschäftsführer bzw. Generalbevollmächtigter in der Eigenverwaltung einzunehmen – wenn es die dafür geeigneten Fälle gebe.

Eine andere als Eigenverwaltung angelegte Sanierung musste in ein Regelverfahren wechseln, da widrige Umstände auch dem späteren Insolvenzverwalter Kuhlmann nicht viel Gestaltungsspielraum ermöglichten. Die deutsche Tochter des französischen Modefilialisten Promod musste nach 2016 am 06.05.2020 infolge eines veränderten Konsumverhaltens der relevanten Käuferschichten und nach massiven Umsatzeinbrüchen infolge des ersten Lockdowns im Frühjahr 2020 erneut Insolvenzantrag stellen, das AG Köln gab dem Antrag auf Einleitung der vorläufigen  Eigenverwaltung statt und setzte Kuhlmann als vorläufigen Sachwalter ein. Betroffen waren 32 Filialen mit rd. 220 Mitarbeitern. Die Besonderheit habe in der kompletten Abhängigkeit vom französischen Mutterkonzern gelegen, sagt Kuhlmann, alles habe dort geordert werden müssen, andere Zulieferer und Händler durften von deutscher Seite aus nicht einbezogen werden. Nach anfänglich positiven Signalen aus Frankreich für die Fortführung habe der Mutterkonzern andere Prioritäten gesetzt, da er mit 600 Geschäften in Frankreich selbst um das Überleben kämpfen musste.

Für das deutsche Geschäft fand sich kein Investor unter der Maßgabe, ohne Flexibilität im Einkauf der Damenmode weiterhin zu 100 % abhängig von Promod SAS zu sein. Es habe Überlegungen gegeben, die stationären Handelsflächen auf eine  Onlineoptikerkette zu übertragen, doch die Gespräche mit den Gewerbevermietern seien zu keinem Abschluss gekommen. Mit Eröffnung als Regelverfahren am 01.09.2020 habe man dann über einen Zeitraum von einem halben Jahr und ohne einem Mitarbeiter Lohn schuldig zu bleiben, die 32 Läden schrittweise geordnet geschlossen und die Geschäfte in den umsatzstärksten Regionen

unter vollem Warenbezug am längsten offen gehalten. Da eine Fortführungslösung nicht möglich war, habe er sich als Verwalter das Ziel gesetzt, die Ordnungsfunktion im Sinne aller Betroffenen bestmöglich umzusetzen. 

Ein anderer Fall am AG Münster, in dem Nada Nasser ab 19.07.2022 als (vorläufige) Insolvenzverwalterin fungierte, war auch mit dem Schwerpunkt auf der Ordnungsfunktion angelegt, es betraf die Hair & More Friseurbetriebs GmbH mit rd. 240 Mitarbeitern und bundesweit 45 Salons. Zuvor hatte die Kette noch Salons aus einem Hamburger Insolvenzverfahren gekauft und als Rettungsanker kurz vor Insolvenzantrag – im Übrigen lagen fünf Fremdanträge von Sozialversicherungsträgern vor – 14 davon wieder veräußert. Was sie dort vorgefunden hat, sei völlig jenseits eines geordneten Geschäftsbetriebs und einer intakten Buchhaltung gewesen, sodass sie sogar Personalfragebögen versenden musste, da es keine belastbaren Arbeitnehmerdaten gegeben habe. Im Ergebnis konnte  Nasser zehn nicht defizitäre Salons veräußern und betont die wichtige Marktbereinigungsfunktion des Insolvenzverfahrens, über die aber nicht so gerne in der Branche gesprochen werde. 


Investoren gefunden, aber es fehlt für Fortführung an Fachpersonal


Mit einem jüngeren Problem sehen sich Nasser und Kuhlmann wie viele Verwalter konfrontiert, dem Fachkräfte- und  Arbeitskräftemangel, den sie u. a. bei Bäckereiketten beobachten. Bei der Bäckerei Greve mit sechs Filialen und Produktion in Arnsberg und einer 130-jährigen Firmengeschichte scheiterte die Rettung des Betriebs nicht am vom Verwalter Kuhlmann eingeleiteten strukturierten Verkaufsprozess, bei dem sieben Investoren ernsthaft Interesse an der Übernahme bekundet hätten. Hauptursache, warum

sich eine Übernahme nicht hat realisieren lassen, war der Mangel an ausreichendem Fachpersonal, um die Weiterführung der Filialbetriebe stabil zu gewährleisten. Die Bäckerei, die unter der massiven Energiepreissteigerung gelitten hatte, konnte bereits wegen Personalmangels die Geschäfte nicht durchgängig geöffnet halten. Am 29.01.2023 fand der letzte Verkaufstag statt.

Heute habe man in den Insolvenzverfahren kein Problem mehr mit Masseunzulänglichkeit aufgrund auslaufender Arbeits-verbindlichkeiten, aufwendige Sozialpläne und Interessenausgleiche

gehörten i. d. R. der Vergangenheit an, stellen beide fest, vielmehr müssten sie Mitarbeiter zum Bleiben motivieren und sich besonders bei den Mitarbeitern in Schlüsselpositionen, die über den Insolvenzgeldbezug verdienen, für deren Verbleib engagieren. Es geht sogar so weit, dass sich Headhunter für Handwerks- und Bauberufe bei ihnen mit ihren Personalwünschen meldeten. Wenn es dann doch zu einer Betriebsschließung im Insolvenzverfahren kommt, finden die ehemals Beschäftigten allerdings dann häufiger und schneller als früher wieder in Lohn und Brot, so war es u. a. auch bei der Bäckerei Greve und bei Promod. «


» Nada Nasser, Rechtsanwältin, FAin InsSanR, Insolvenzverwalterin,

Sachwalterin, Partnerin bei KKN Rechtsanwälte (Kreplin Kuhlmann Nasser Rechtsanwälte PartG mbB), Restrukturierung und Insolvenzrechtliche Beratung; geboren 1974 in Neuwied am Rhein; 1994–1998 Jurastudium an den Universitäten in Trier und Bonn, Referendariat OLG Düsseldorf/LG Mönchengladbach, Zulassung als RAin 2003; seit 2004 bei KKN (vormals Kreplin & Partner), seit 2004 bestellt als Insolvenzverwalterin in NRW und RheinlandPfalz; Verfahren: KCHUnternehmensgruppe; B.A.K. GmbH & Co. KG; Ostermann Unternehmensgruppe; H. & J. Jessen Unternehmensgruppe; Navabi GmbH (Sachwaltung); Discovergy GmbH (Sachwaltung).


» Marco Kuhlmann, Rechtsanwalt, FA InsSanR, Insolvenzverwalter,

Sachwalter, Partner bei KKN Rechtsanwälte (Kreplin Kuhlmann Nasser Rechtsanwälte PartG mbB), Restrukturierung und Insolvenzrechtliche Beratung; geboren 1973 in Minden; 1993–1999 Jurastudium an der Universität zu Gießen, Zulassung als RA 2003; ergänzend in 2020 Studium der Mediation am rechtswissenschaftlichen Institut der Fernuniversität Hagen, Abschluss: Mediator (Universität Hagen), Referendariat OLG Düsseldorf/LG Duisburg; seit 2003 bei KKN (vormals Kreplin & Partner), seit 2003 bestellt als Insolvenzverwalter von Gerichten in NRW; Verfahren: PARATGruppe; PROMOD Deutschland (Sachwaltung/Insolvenzverwaltung); KORDA GmbH (Sachwaltung/ Insolvenzverwaltung); Ermert‘s Backhaus; Hoberg Filialbäckerei (Sachwaltung); TLW GmbH & Co. (Sachwaltung); Mauell GmbH (Sachwaltung); EXPROTEC GmbH (Sachwaltung). 

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